Freifrau Adelheid Auguste von Wangelin geb. von Heespen

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Freifrau Adelheid Auguste von Wangelin geb. von Heespen
Adelheid Auguste von Heespen, 1728
Freifrau Adelheid Auguste von Wangelin geb. von Heespen
Adelheid Auguste von Heespen, 1728

Witwe des 1755 verstorbenen Generalleutnants Freiherr Christian Friedrich von Wangelin, der ursprünglich in dänischen, später in friederizianischen Diensten Stand.

Besitzerin des an der Ostseite des Marktplatzes stehenden „großen Hauses“, erbaut gegen Mitte des 18. Jahrhunderts.

Freifrau von Wangelin verfügte in einer am 28. Januar 1756 errichteten Stiftungsurkunde, dass das Gebäude weiblichen Nachfahren, vor allem Witwen der Familien von Heespen, Tammena von Oldenburg und von Wangelin, die weniger als 200 Rthlr. Revenuen im Jahr hatten und deren Männer wenigstens Capitänsrang gehabt haben, als Wohnung für den Lebensabend dienen soll.

Das Haus dient heute der Samtgemeinde Esens als Rathaus.

Text: Herbert Jander / Landschaftsbibliothek Aurich

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Christian Friedrich von Wangelin, 1728
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Wilhelm von Heespen, 1703

Christian Wilhelm Schneider

Christian Wilhelm Schneider wurde 1711 durch den Fürsten Georg Albrecht als 1. Pastor nach Esens berufen und am 11.10. des selben Jahres in die Pfarrstelle eingeführt.

Die große Armut und die seelische Not der Armen in seiner neuen Gemeinde, zu deren Behebung städtische und kirchliche Mittel nicht ausreichten, ließen ihn zunächst eine „Armenschule“ gründen, schließlich den Plan zum Bau eines „Waisenhauses“ fassen.

Am 23.06.1713 wird der Grundstein zum Bau des Waisenhauses gelegt. Zu Beginn des Baues standen 300 Thaler und 100 000 Ziegelsteine aus einem abgebrochenen Haus in Leerort, die ihm Fürst Georg Albrecht nebst einigen Balken und Holz dazu schenkte  zur Verfügung. Bis 1715 kamen durch Sammlung 2800 Thaler für den Bau zusammen.

Spruch über der Tür des Waisenhauses:

„Wie teuer ist deine Güte Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben.“

1725 starb Christian Wilhelm Schneider in Esens.

Quelle Text: „Eine Chronik der Stadt Esens“, Gerd Rokahr, Brune-Mettcker Druck

Johann Gottfried Rohlfs

Johann Gottfried Rohlfs (* 27. Juni 1759 in Esens; † 25. Juli 1847 in Esens) war ein Orgelbauer, der in Ostfriesland wirkte.

Rohlfs lernte in der Werkstatt von Hinrich Just Müller und trat erst ab 1788 sporadisch selbständig auf. Am 9. Oktober 1792 erwarb er das Bürgerrecht von Esens. Am 24. Januar 1801 heiratete er Sophia Maria Elisabeth Schuster und begründete mit ihr eine Orgelbaufamilie. Bekanntheit als Orgelbauer erlangten sein Sohn Arnold Rohlfs (1808–1882) und sein Enkel Friedrich (Frerk) (* 26. Juni 1829, † 17. März 1891), mit dessen Tod die Firma erlosch. Johann Gottfried wirkte ein halbes Jahrhundert (1788–1838) und schuf kleinere Orgeln mit einem sehr farbigen Klang, die vom äußeren Aufbau und in klanglicher Hinsicht eher konservativ orientiert waren und in der Tradition Müllers standen. Die meisten seiner Neubauten sind heute noch erhalten und funktionstüchtig.

Werke

In der fünften Spalte der Tabelle bezeichnet die römische Zahl die Anzahl der Manuale, ein großes „P“ ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ ein nur angehängtes Pedal und die arabische Zahl in der sechsten Spalte die Anzahl der klingenden Register. Eine Kursivierung zeigt an, dass die Orgel nicht erhalten ist.

Gerhard Moritz Roentgen

Niederländischer Seeoffizier, Maschinenbauingenieur und Schiffbauer
1795 – 1852

Gerhard Moritz Roentgen (* 7. Mai 1795 Esens in Ostfriesland; † 28. Oktober 1852 in Santpoort bei Velsen in Nordholland) war ein niederländischer Seeoffizier, Maschinenbauingenieur und Schiffbauer. Ab 1823 war er mit der Gründung der Nederlandsche Stoomboot Maatschappij (NSM) beschäftigt, der er bis kurz vor seinem Tod 1852 als Technischer Direktor angehörte.

Gerhard Moritz Roentgen, in den Niederlanden als Gerhard Mauritz Roentgen bekannt, war das vierte Kind von Sophia Tischbein und Ludwig Roentgen, Prediger und Inspektor des Armen-und Waisenhauses in Esens in Ostfriesland. Der Vater Ludwig stammte aus der in Neuwied am Rhein ansässigen Kunsttischlerfamilie Roentgen. Bis zu seinem 13. Lebensjahr wohnte Gerhard in Esens, welches inzwischen zum französisch kontrollierten Königreich Holland gehörte. Im Jahr 1808 meldete er sich als Marineschüler beim Instituut voor de Marine im holländischen Enkhuizen an. Gerhard Moritz Roentgen wurde zusammen mit 30 seiner Mitschüler von den Franzosen nach Toulon verlegt, wo sie als Seeaspiranten eine Marineausbildung absolvieren sollten. Ein Antrag auf Entlassung wurde von französischen Dienststellen mit Haft in einem Fort bei Toulon quittiert. 1813 wurden die Niederlande befreit. Röntgen gelang die Flucht aus Frankreich, und er wurde von der nun niederländischen Marine aufgenommen. Im November 1814 wurde er zum „Leutnant zur See 2. Klasse“ befördert und von der Marineleitung nach England geschickt, um dort den modernen Schiffbau zu studieren. In dieser Zeit liefen in England die ersten Dampfschiffe vom Stapel.

Heirat

Während eines Englandaufenthaltes lernte Roentgen die ausnehmend hübsche Georgina Louise Bennet kennen. Ohne die Zustimmung des Königs zu dieser Verbindung zu erbitten, wie es die Marine-Etikette vorschrieb, heiratete er 1821 seine Freundin. Später bat er den König um Vergebung für sein unbedachtes Handeln, und Wilhelm I. verzieh ihm. Allerdings musste sich seine Frau am 21. Mai 1821 beim Hauptdepartement Maas dazu verpflichten, ihren Gatten nie auf einer Seereise oder an Bord eines Schiffes zu begleiten.

Studienreisen

Als Roentgen 1821 nach London reiste, um dort den Bau einer Dampffähre zu überwachen, bekam er vom Bildungsministerium den Auftrag, alle Informationen über Gewinnung und Verarbeitung von Eisen zu sammeln. Sein Bericht über die englische Eisenindustrie hinterließ einen nachhaltigen Eindruck bei seinen Auftraggebern. 1823 folgte der Auftrag, den Zustand der Eisenindustrie in den südlichen Provinzen Hollands zu überprüfen. Mit seinen Ansichten über die Dampfschifffahrt zog er die Aufmerksamkeit von König Willem I. auf sich, der den Marineleutnant wieder nach England sandte, um dort die aktuellen Anwendungen der Dampfmaschinen zu erkunden. Seine Ergebnisse fasste er in der Denkschrift über den Nutzen, den die Anwendung von Dampfmaschinen auf Kriegsschiffen gewähren könnte, zusammen. Dafür wurde er im Jahr 1825 mit dem Orden vom Niederländischen Löwen ausgezeichnet.

Die Berichte Roentgens führten zu großen Veränderungen in der Marine und waren der Anfang der Modernisierung des holländischen Schiffbaus. Seine Empfehlung, Schiffe ganz aus Eisen zu bauen oder oberhalb der Wasserlinie zu panzern, missfiel allerdings der Marinekommission, die seine Vorschläge als unerhört betrachtete. Dennoch wurde Roentgen ehrenvoll aus der Marine entlassen.

Gründung einer Schiffswerft

Im Alter von 27 Jahren gründete Roentgen im Jahr 1822 auf der Insel Feijenoord gegenüber von Rotterdam die Maatschappij voor Scheeps- en Werktuigbouw Fijenoord (Etablissement Fijenoord). Im selben Jahr bildete sich in Rotterdam die erste Dampfschifffahrtsgesellschaft im Rheingebiet, die im Juni 1823 einen regelmäßigen Dienst zwischen Rotterdam und Antwerpen mit dem Dampfer „de Nederlander“ eröffnete. In dieser Reederei sah Roentgen einen willkommenen Partner zur Verwendung der auf seiner Schiffswerft gebauten Dampfschiffe.

Im Jahr 1823 erhielt Roentgen von der Rotterdamer Reederei, die inzwischen den Namen Nederlandsche Stoomboot Maatschappij (NSM) angenommen hatte, den Auftrag zum Bau eines Dampfschiffs. Mit diesem Schiff sollte eine regelmäßige Dampferverbindung von Holland nach Köln betrieben werden. Roentgen baute das Schiff unter Verwendung aller Erfahrung aus England und der bislang in den Niederlanden gebauten Dampfschiffe.

Kölner Handelsleute verfolgten das Projekt mit großem Interesse, eine regelmäßige und schnelle Verbindung zu den Seehäfen Rotterdam, Amsterdam und Antwerpen war in ihrem Interesse. Schließlich beteiligten sich die Kölner mit 50 Aktien an der NSM, die dieses Kapital in die Finanzierung des Neubaus investierten.

Das Schiff mit dem Namen „de Zeeuw“ (der Seeländer), welches 1824 fertiggestellt wurde, hatte eine Länge von 112 Fuß (etwa 35 Meter), eine Breite von 16 Fuß (etwa 5 Meter) und einen Tiefgang von 4 Fuß (etwa 1,50 Meter), die Ladekapazität betrug 1.423 Zentner. Die Dampfmaschine entwickelte nach heutigen Maßstäben 200 PS), die beiden seitlichen Schaufelräder aus jeweils 15 eichenen Planken hatten einen Durchmesser von 12 Fuß (etwa 3,70 Meter). Die Gesamtkosten beliefen sich auf 80.000 Gulden. „De Zeeuw“ war zum Transport von Personen (ca. 120 Personen) und Gütern bestimmt und außerdem so eingerichtet, dass auch Treidel- oder Segelschiffe am Tau geschleppt werden konnten.

Am 26. Oktober 1824 verließ Roentgen mit der De Zeeuw Rotterdam mit dem Ziel Köln, das er am 29. Oktober nach einer reinen Fahrzeit von 37 Stunden und 17 Minuten erreichte. Dort unternahm er einen Schleppversuch mit einem Segelschiff, das 2.000 Zentner Getreide geladen hatte. Der Test war erfolgreich und überzeugte die Abgeordneten der Kölner Handelskammer von der ihnen bis dahin unbekannten Leistungsfähigkeit der Dampfschiffe.

Noch am gleichen Tag wurde die Bergfahrt Richtung Koblenz fortgesetzt. Aufgrund einsetzenden Hochwassers war die Strömung bei Andernach so stark, dass das Schiff, auch aufgrund niedrigen Dampfdrucks, nur noch mit der Geschwindigkeit der Strömung fuhr, also im Verhältnis zum Ufer auf der Stelle stand. Schließlich gelang es nach 5 Stunden, das 22 km entfernte Koblenz zu erreichen. Nun wurde zur Verbesserung der Feuerung Buchenholz eingekauft. Mühsam wurde St. Goar erreicht. Am 3. November wurde der Versuch unternommen, weiter rheinaufwärts zu fahren, und man kam nach einem Umbau der Planken an den Schaufelrädern bis unterhalb Kaub. Unterhalb Bacharach ging es dann endgültig nicht mehr weiter. Die Rückfahrt nach Koblenz dauerte knapp 2 1/2 Stunden. Der Pegel in Koblenz betrug 8,20 Meter. Am selben Abend erreichte das Schiff Neuwied, den Geburtsort seines Vaters, und er wurde von seinen Verwandten begrüßt. Die Reisegesellschaft und Roentgen übernachteten in Neuwied. Die weitere Rückfahrt über Köln nach Rotterdam verlief ohne Zwischenfälle.

Im Jahre 1825 unternahm Roentgen eine weitere Expeditionsreise rheinauf, diesmal mit dem Raddampfer De Rijn, ebenfalls von Roentgen gebaut. Am 10. September fuhr er von Köln rheinauf und musste in Koblenz noch eine „Ehrenrunde“ für den damaligen preußischen König Friedrich Wilhelm III. einlegen. Am 14. September fuhr der König mit Familie und Gefolge von Koblenz nach Köln auf der De Rijn. Danach konnte er seine Bergfahrt fortsetzen und erreichte Kehl am Oberrhein. Dies übertraf alle Erwartungen.

Mit dem Schiff Stadt Frankfurt, das mit über 300 PS eine Geschwindigkeit von 7,7 km/h gegen den Strom erreichte, konnte Roentgen dann im Juni 1832 Basel erreichen.

Mit der Leitung seiner Werft war Roentgen nicht ausgefüllt. Er wurde auch technischer Direktor der Nederlandsche Stoomboot Maatschappij (NSM). Diese Gesellschaft entwickelte sich schon zu Roentgens Zeiten zu einem Schifffahrtsunternehmen zwischen Rotterdam und Straßburg.

1839 baute Roentgen das erste Dampfschiff für die Niederländisch-Indische Marine. Bald folgten auch Aufträge für Kriegsschiffe aus Frankreich und Russland.

Neben seiner Tätigkeit bei der NSM war Roentgen auch als Berater und Konstrukteur bei der Kölner „Preussisch-Rheinischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft“ und der Gutehoffnungshütte in Sterkrade tätig. Bis 1849 war er die treibende Kraft bei „Feijenoord“.

Wegen einer schweren Gemütskrankheit verbrachte Roentgen die letzten Jahre seines Lebens in der Anstalt Meer en Berg in Santpoort bei Velsen. Dort starb er im Alter von 57 Jahren. Ihm zu Ehren wurde eine Straße in Feijenoord benannt.

Roentgen besaß ohne Zweifel eine enorme Willenskraft. Ohne technische Ausbildung eignete er sich eine große Menge technisches Wissens an. Nach Gründung der NSM setzte er viele seiner Ideen in die Praxis um. Die Erfindung der Mehrfach-Expansions-Dampfmaschine war zweifelsfrei der Höhepunkt seiner Karriere.

Er muss aber auch so von sich überzeugt gewesen sein, dass er sich dahingehend äußerte, es gäbe keinen besseren Ingenieur als ihn. Er ging sogar soweit, andere Ingenieure wie Cockrill oder Paul van Vlissingen zu diffamieren. Allerdings wurde diese Überzeugung immer wieder durch Nachfragen der Regierung zu technischen Fragen gestützt.

Ein Familienmitglied beschrieb ihn einmal so: „Klein von Gestalt, aber kräftig gebaut. Er war nicht schön, seine krumme Nase und sein krauses Haar gaben ihm ein jüdisches Aussehen. Aus seinem durchdringenden Blick sprach enorme Willenskraft, er war herrschsüchtig, Widerworte duldete er nicht.“ Viele seiner Angestellten fürchteten sich vor ihm. Auch in Regierungskreisen hatte er Feinde. Ein hoher Beamter, Stratenus, erklärte während eines Konflikts mit Roentgen, dass dessen: „schwarzer und undankbarer Charakter allzu sehr bekannt sei“.

Quelle: Wikipedia

Johann II. von Rietberg (1523–1562)

Johann II von Rietberg

Gräfin Agnes von Rietberg, die Witwe des Grafen Johann II. von Rietberg, widmete ihrem vor 450 Jahren in Haft verstorbenen Gemahl in Köln und im ostfriesischen Esens einen Gedenkstein, der die Jahrhunderte überdauerte. Beide Epitaphien berichten von „Beschwernissen“ und „Drangsalen“, die ihm das Leben erschwerten.

Sie verschweigen allerdings, dass der streitlustige Graf als „Friedensbrecher“ die ganze Nordwest-Region in Aufruhr brachte und deshalb vom Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis überwältigt und in Einzelhaft gesetzt wurde. Die damit verbundenen Ereignisse wirkten in ganz Nordwestdeutschland über Jahrzehnte nach.

Die Grafschaft Rietberg lag an der oberen Ems zwischen den Bistümern von Münster und Paderborn, bestand als eigenständiges Territorium zwischen 1237 und 1807, war zunächst reichsunmittelbar und stand ab 1456 in Lehensabhängigkeit zum Landgrafen von Hessen. Johann II. wurde um 1523 geboren. Sein Vater war Graf Otto III. von Rietberg. Seine Mutter war Onna von Esens. Johann II. hatte noch einen Bruder: Otto IV. Nach dem söhnelosen Tod von Balthasar von Esens, dem Bruder Mutter Onnas, fiel das Harlingerland mit Esens an das Haus Rietberg. Die Söhne, die der lutherischen Lehre folgten, nannten sich nach dem Tod des Vaters zusätzlich „Herr auf Esens, Stedesdorf und Wittmund“. Doch die Brüder lagen ständig im Streit. Beide wollten regieren. Eine Erbteilung von 1541 wurde von Otto IV nicht akzeptiert. Erst nach Ottos IV. Tod 1553 fiel das gesamte Erbe der Grafschaft Rietberg mit dem Harlingerland an Johann II, der inzwischen mit Gräfin Agnes von Bentheim-Steinfurt verheiratet war und vom Maler Ludger tom Brink aus Münster ein Familienbild anfertigen ließ, das erhalten blieb. Der Rietberger residierte mit seiner Familie meist in Esens und folgte auch in seiner Politik seinem verstorbenen Onkel Balthasar von Esens, der zu Lebzeiten wegen seiner Streitlust bekannt war. Johann II. wollte sein Territorium vergrößern. Er heuerte deshalb Söldner an und besetzte zunächst einen Landstrich nahe dem Accumer Tief. Weitere Übergriffe folgten. Die Region geriet in Aufruhr. Die empörten Nachbarn riefen den Niederrheinisch-Westfälischen Kreis um Rechtshilfe an. Der Rietberger bekam den Beinamen „der tolle Johann“ und galt als „Friedensbrecher“.

Nach erfolglosen Vermittlungsversuchen und einem nicht eingehaltenen Friedensvertrag ging der Reichskreis mit Waffengewalt gegen Graf Johann II. von Rietberg vor. „Der tolle Johann“ wurde belagert, erlitt eine Verwundung und musste am 2. Juni 1557 kapitulieren. Die „Rietberger Fehde“ wurde mit der Gefangennahme des Grafen beendet. Johann II. kam in Einzelhaft, war zunächst im Schloss Büderich und wurde 1560 nach Köln verlegt, wo er die letzten zwei Lebensjahre in einem Verließ im Kloster St. Martin verbrachte. Darüber starb der Graf am 11. Dezember 1562 in Haft. Die Rietberger Grafschaft kam zunächst unter die Verwaltung des Reichskreises und wurde dann mit Hinweis auf den söhnelosen Tod des Grafen, der nur seine Witwe und zwei Töchter hinterließ, vom Landgrafen von Hessen als erledigtes Lehen eingezogen. Dagegen klagte die Gräfin-Witwe im Namen ihrer Töchter mit Erfolg. Tochter Walburga bekam das Harlingerland. Tochter Armgard übernahm das Stammgebiet Rietberg. Nach dem frühen Tod Armgards besaß Walburga beide Territorien, die sie bei ihrer Heirat mit dem Grafen Enno III. von Ostfriesland mit in die Ehe einbrachte. Die verwitwete Gräfin Agnes widmete sich nach der Beerdigung ihres Mannes, dem erfolgreichen Rechtsstreit und der Verleihung der städtischen Privilegien für Wittmund einer neuen Ehe. Sie heiratete 1568 den Grafen Otto VIII. von Hoya, den sie ebenfalls überlebte und in der Nienburger Pfarrkirche eine große Grabtumba errichten ließ. Sie starb auf Gut Varste bei Verden und fand ihre letzte Ruhe neben ihrem zweiten Mann in Nienburg.

Peter Friedrich Ludwig Hoffmann

Geb. 05.04.1826 zu Norden, gest. 29.10.1904 zu Buttforde, hat durch eine Schenkung in Höhe von 50.000 Goldmark den Bau der beiden Kreiskrankenhäuser in Esens und Wittmund wesentlich vorangetrieben.

Der Anfang der Schenkungsurkunde lautet:
„Ich Pastor a.D. Peter Friedrich Ludwig Hoffmann zu Buttforde, verpflichte mich hierdurch, dem Kreise Wittmund zum Bau der beiden projektierten Krankenhäuser in Esens und Wittmund ein Kapital von fünfzigtausend Mark unter nachfolgenden Bedingungen und Auflagen zur Verfügung zu stellen bzw. zu schenken:

  1. Der ganze Betrag ist mit zur Deckung der Baukosten erwähnter beiden Häuser zu verwenden.
  2. Beide Krankenhäuser, oder wenigstens eines derselben, im letzteren Falle, das in Esens, sind nach mir:

„Peter-Friedrich-Ludwig-Stift“ zu benennen.

Die Marmortafel im Eingang des Krankenhauses in Esens hat die Inschrift:

„Dem Weiland Pastor Peter Friedrich Ludwig Hoffman, geb. am 05.04.1826 zu Norden, gest. am 29.10.1904 zu Buttforde, welcher den Bau der Krankenhäuser zu Esens und Wittmund gefördert hat, wird am 20.12.1904, dem Tage der Einweihung des Hauses, in Dankbarkeit diese Erinnerungstafel gewidmet.

Im Namen des Kreises Wittmund , der Landrat  Budde

Text: Herbert Jander / Landschaftsbibliothek Aurich

Johann Carl Gittermann

Can. theol. Johann Carl Gittermann (1816–1892)
Johann Carl Gittermann

Der  streitbare Rektor der Esenser Lateinschule, Can. theol. Johann Carl Gittermann (1816–1892), war ein liberal denkender Kämpfer für Freiheit und Demokratie, und ein wortgewaltiger Anhänger für ein großes Deutsches Reich in Frieden und Freiheit. Nach seiner Amtsenthebung 1870 wirkte er noch bis 1892 an der Navigationsschule in Leer. In seiner Esenser Zeit ab 1848 bewohnte Gittermann das 1840 von Maurermeister Anton Esen (1773–1857) auf dem frühere Burggelände am Herrenwall errichtete zweigeschossige Backstein-Wohnhaus.
Als die 1926 gegründete Esenser Mittelschule schließlich einen eigenen Namen erhalten sollte, entschied man sich zum 25-jähigen Bestehen im Jahr 1951 zeitgemäß für Carl-Gittermann-Realschule. Der Lernort wechselte 1972 von der Stadtmitte (heute Haus der Begegnung) in einen Neubau im Schulzentrum Nord an der Walpurgisstraße.

Johann Carl Gittermann war ab 1848 Rektor der Lateinschule in Esens. Ein Jahr später wird er als einer der führenden, liberal denkenden Köpfe der Stadt Präsident des Bürgervereins.

Seine große Stunde schlug am Sonntag, dem 20.05.1849, als er auf der Kundgebung auf dem Marktplatz von Esens seine Landsleute für die neue deutsche Reichsverfassung und zu einer Huldigungsadresse für die Nationalversammlung aufrief.

Er schloß seine Rede mit folgenden Worten:

„Auch wir hier in Stadt und Land wollen unerschütterlich festhalten an Deutschlands Einheit, wollen uns scharen um das gemeinsame schwarz-rot-goldene Banner. Denn, wie auch hier vorn an der Tribüne zu lesen steht: Durch Einheit zur Freiheit! Der Güter höchstes aber ist die Freiheit!

Gittermann wurde zum Vorkämpfer Ostfrieslands für ein einiges Deutsches Reich!

Aufgrund seiner Rede vom 20.05.1849 wird er am 05.02.1850 wegen Verletzung der Amtsehre zu vier Wochen Gefängnis verurteilt, die er während der Ferien in Hildesheim absaß. Bei seiner Rückkehr hatte Esens Flaggenschmuck angelegt.

Text: Herbert Jander / Landschaftsbibliothek Aurich

Rudolf Christoph Eucken

Rudolf Christoph Eucken
Rudolf Christoph Eucken

Rudolf Christoph Eucken wurde 1908 zum auswärtigen Mitglied der schwedischen Akademie der Wissenschaften ernannt und erhielt am 14.11.1908 den Nobelpreis.

Seine Nobelrede trug den Titel: „Naturalismus und Idealismus“.

Sie ist außer in den Nobelschriften in englischer und in japanischer Übersetzung erschienen.

Werke:
– Geistige Strömung der Gegenwart (1878/3. Auflage 1928)
– Die Lebensanschauungen der großen Denker (1890)
– Grundlinien einer neuen Lebensanschauung (1907)
– Der Sinn und Wert des Lebens (1908)
– Lebenserinnerungen – Ein Stück Deutsches Leben (1920/22)

Text: Herbert Jander / Landschaftsbibliothek Aurich

Philipp Heinrich Erlebach

Kapellmeister und Komponist, der am Hofe von Rudolstadt zu höchsten Ehren emporstieg. 1687 wurde er als Musiker und Kammerdiener an den schwarzburgischen Hof in Rudolstadt berufen. Wegen seines großen Ansehens wird er dort später zum Hofkapellmeister ernannt.

Im 2. Musikalienverzeichnis der Hofkapelle am Hofe in Rudolstadt finden sich unter 2640 Einzelwerke 750 geistliche Vokalwerke Erlebachs, von denen nur leider 70 erhalten sind.

Erhalten und gedruckt sind von Erlebach:

  • VI Ouvertures (1693)
  • VI Sonatea Violino e Viola da Gamba coli l suo Basso continuo (1694)
  • Harmonische Freude (1697/1710)
  • „Gott-geheiligte Sing-Stunde“ als Sammlung geistlicher Arien

Prof. Kurt Godwill, Musikkritiker aus Kiel, schreibt in der Zeitschrift „Ostfriesland“ Heft 1964/S. 41:

Die geschichtliche Bedeutung Erlebachs liegt nicht zuletzt darin, dass es ihm gelang, auf allen drei Gebieten (geistliche Vokalmusik, Instrumentalmusik, weltliche Vokalmusik) eine Synthese des deutschen Erbes mit den neuen französischen und italienischen Stilelementen zu vollziehen. Damit wurde er in mancher Hinsicht zum „Wegbereiter Bachs“.

Text: Herbert Jander / Landschaftsbibliothek Aurich

Pastor und Astronom Johann Gerhard Behrens

An bedeutenden Persönlichkeiten ist Ost­friesland nicht arm: Neben Staatsmännern und Wissenschaftlern verschiedener Diszi­plinen gab es insbesondere auf dem Gebiet der Astronomie hier Forscher, die Bedeu­tendes leisteten. Neben dem mit Kepler be­freundeten, aus Esens stammenden Astrono­men David Fabricius kann die Bärenstadt auch noch auf einen weiteren Gelehrten die­ser Fachrichtung stolz sein: Es ist der vor 100 Jahren in Esens geborene Johann Gerhard Behrens, nach dem im Jahre 1980 sogar ein Planetoid benannt wurde.

Schon als Kind interessierte sich der als Sohn eines Kaufmanns am 5. September 1889 ge­borene Esenser für die Sternenkunde. Dies ist mit auch ein Verdienst seines Großvaters, des Mühlenbauers Theilen. In der Schule fiel der fleißige Junge als guter Mathematiker auf. Während seiner Gymnasialzeit in Nor­den beschäftigte er sich viel mit der theoreti­schen Astronomie. Unterstützt wurde er bei dieser Leidenschaft von dem damaligen „Schulwärter“, der ebenfalls ein begeisterter Hobby-Astronom war und dem Gymnasia­sten zum ersten Mal die Saturnringe zeigte.

Für den 14jährigen Johann Gerhard eröff­nete ein Werk des Gründers der Berliner Volkssternwarte, Dr. M. Meyer, den Grund­stock seiner astronomischen Fachbibliothek. Im Jahre 1909 legte Behrens in Norden das Abitur ab. Doch sein Vorhaben, sich ganz der Astronomie zu widmen, mußte er aufge­ben, denn sowohl sein Vater als auch sein Großvater waren der Meinung, daß dieses eine „brotlose Kunst“ sei. In dieser Meinung wurde er allerdings auch während seines Stu­diums bekräftigt. Wenn er nämlich Vorle­sungen im Fach Astronomie nebenher be­legte, so fanden sich oftmals nicht mehr als fünf Kommilitonen mit ihm im Hörsaal ein.

Astronomie als brotlose Kunst?

An den Universitäten Göttingen, Tübingen und Berlin holte er sich neben den wissen­schaftlichen Voraussetzungen für den Beruf des Pastoren auch das notwendige Rüstzeug für seine Freizeitbeschäftigung mit den Ster­nen.

Nach dem Studium folgt jedoch die Einberu­fung während des ersten Weltkriegs und dann erst die Tätigkeit als Pastor in den Ge­meinden Nenndorf bei Hamburg und Stade. In einer der Fachzeitschriften las er den Auf­ruf, daß für die Berechnung kleinerer Plane­ten ein Mitarbeiter gesucht werde. Aufgrund seiner guten Leistungen wurden ihm immer schwierigere Fälle übertragen. In den 20er Jahren gelang es ihm sogar, einen Planeten, der früher entdeckt, dann jedoch nicht wie­derentdeckt wurde, zu berechnen und seine Bahn aufzuspüren.

Unter anderem fand er auch den Schwaßmann-Wachmannschen Kometen 1925 II wieder. Dadurch wurde sein Name über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt. Im Jahre 1933 wurde Pastor Behrens als einziger Pastor in die „astronomische Gesellschaft“ aufgenommen. Er hatte bald Kontakte zu al­len bekannten Astronomen im In-und Aus­land, war häufig zu Gast bei der Hamburger Sternwarte und führte eine umfangreiche Korrespondenz.

Sein Handwerkszeug für seine Tätigkeit als Amateur-Astronom, das erste astronomi­sche Fernrohr, kaufte Behrens in der Infla­tionszeit nach dem ersten Weltkrieg, es kostete ihn übrigens die astronomische Summe von 300 000 Mark.

Konflikt mit den Nationalsozialisten

In Stade, wo Behrens als Pastor wirkte, geriet er als aufrechter Christ in Konflikt mit der Staatsmacht und den herrschenden Natio­nalsozialisten. Er hatte sich öffentlich gegen den Nationalsozialismus und den Antisemi­tismus gewandt. Die nationalsozialistische Zeitung „Der Stürmer“ wurde von ihm als Schmutzblatt bezeichnet, in einer Bußpre­digt warnte er nachdrücklich vor den Folgen des Blut- und Boden-Mythos, im Konfirman­denunterricht weigerte er sich, die Hetze ge­gen die Juden zu befürworten.

Das hatte in Stade einen Kirchenkampf zur Folge. Am 16. September wurde Behrens von SA-Leuten durch die Stader Straßen gezerrt, wobei ihm ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin ein Judenknecht“ umgehängt wurde.

Allerdings stellte sich der Regierungspräsi­dent vor den geschundenen Gemeindepfar­rer, auch der damalige Landesbischof D. Marahrens setzte sich mit Erfolg beim Justizmi­nister für Behrens ein. Zu seinem eigenen Schutz wurde Behrens nach Detern in Ostfriesland versetzt.

Die Stader Gemeinde besann sich nach dem Tode von Behrens im Jahre 1981 auf die standhafte Haltung des früheren Pastoren und benannte zu seinem Andenken ein Ge­meindezentrum nach ihm. Sein öffentliches Eintreten für die Juden und sein Protest ge­gen Lüge und Gewalt wurde als mutiges und vorbildliches Glaubenszeugnis gewürdigt.

Berechnungen für NASA und Olympia-Werk

Nach dem 2. Weltkrieg wurde Behrens von der NASA zu Berechnungen aufgefordert, auch die Olympia-Werke in Wilhelmshaven holten seinen Rat für Computerberechnun­gen ein. In vielen Lehrbüchern der Astrono­mie taucht der Name Behrens auf, sogar im fernen Japan ist er zwischen den fremdarti­gen Schriftzeichen zu finden.

Im Ruhestand, den er in Esens und Warsingsfehn verlebte, widmete sich Pastor Beh­rens weiter dem gestirnten Himmel, doch auch auf der Kanzel war er noch recht oft an­zutreffen, denn er half aus, wenn dort jemand gebraucht wurde. Er lebte recht zu­rückgezogen und bescheiden, erreichte das biblische Alter von 90 Jahren und starb am 23. März 1979.

Nach seinem Tode wurde der verdiente und bescheidene Freizeit-Astronom besonders geehrt: Im Jahre 1980 wurde der bislang mit der Nummer 1651 registrierte Kleinplanet mit dem Namen Behrens benannt. Ein Pla­netoid in unserem Sonnensystem trägt jetzt den Namen des aus Esens stammenden Pa­storen; die Erinnerung an den jahrelang rast­los Schaffenden wird also noch weiter wach­gehalten werden.

Um dieses Andenken in einer breiten Öf­fentlichkeit wachzuhalten, brachte der Hei­matverein Esens an seinem Geburtshaus am Esenser Marktplatz eine Gedenktafel an. Unter den Teilnehmern an dieser Feier war auch die 80jährige Schwester des Gelehrten, die auf der Insel Langeoog lebte.

So ist das Lebenswerk eines gebürtigen Esensers noch im Andenken vieler Men­schen weiter gegenwärtig und auch die Chronistin des „Heimatkalenders“ wollte mit die­sem Beitrag ihren Teil dazu leisten, das An­denken an diese interessante Persönlichkeit wachzuhalten.

(-her-)

Mit verbindlichem Dank an Albrecht Gerdes (Esens), der mir aus seinem privaten Archiv eine Dokumentation aus Zeitungsartikeln über den Forscher zur Verfügung stellte.

Pastor als Judenknecht verunglimpft

Esenser Pastor ging als „Fall Behrens“ in die Kirchengeschichte ein. Aus seiner Abneigung hatte der Astronom nie einen Hehl gemacht.

Esens/Stade/dk/AH – Aus seiner Abneigung gegen das nationalsozialistische Regime hatte Johann Gerhard Behrens keinen Hehl gemacht. „Ein christlicher Neger ist mir lieber als ein ungläubiger Deutscher“ oder „Kinder, ihr seid verhetzt“ soll er dem Nachwuchs im Konfirmandenunterricht in Stade mit auf
den Weg gegeben haben. Seine deutlichen Worte sollten dem in Esens geborenen Pastor zum Verhängnis werden: Am 16. September 1935, also heute vor genau 70 Jahren, ist er von den Nazis durch die Straßen von Stade getrieben worden. In den frühen Abendstunden des Tages war er mit seinem Sohn Martin von der Superintendentur in der Teichstraße unterwegs nach Hause, als er vor dem Regierungsgebäude von SS-Männern überwältigt und mit Schmähschildern wie „Ich bin ein Judenknecht“ behängt wurde. Begleitet wurde der anschließende Zug auf dem Weg durch die Stadt von einer SA-Musikkapelle, zahlreichen
Hitlerjungen und Schaulustigen. Unterwegs wurde der Pastor als „Volksverräter“ und „Judenlümmel“ beschimpft, bespuckt, mit Sand und brennenden Zigarren- und Zigarettenstummeln beworfen, getreten und mit Wasser übergossen.

Zeitzeugenberichte, Polizeiprotokolle und Behrens eigene Aufzeichnungen belegen den Vorfall, seine Vorgeschichte und das Nachspiel genau. Die Mehrheit der Stader Bevölkerung soll sich hinterher zwar ablehnend bis empört gezeigt haben, zu Hilfe kam Behrens aber niemand. Erst dem Regierungspräsidenten Leister gelang es, den misshandelten Geistlichen zu befreien und die auf etwa 300 Personen angewachsene Menschenmenge zu zerstreuen – und das hatte auch für Leister Folgen.

Nach dem Vorfall vom 16. September 1935 wurden die Haupttäter nur halbherzig zur Rechenschaft gezogen. Behrens wurde von der Landeskirche über ein halbes Jahr beurlaubt und dann nach Detern in Ostfriesland versetzt. Hier blieb er Pastor bis 1957. In Stade erhielt 1981 das neugebaute Gemeindehaus in der Ritterstraße den Namen „Pastor-Behrens-Haus“, nachdem es zuvor einen eher versteckten Widerstand gegeben hatte. Am Geburtshaus in Esens, heute Installateurbetrieb Gläske, wurde in diesen Jahren eine Gedenktafel für den Pastoren und Astronomen Behrens montiert.

Nach dem Besuch der Bürgerschule in Esens hatte Johann Gerhard Behrens 1909 in Norden sein Abitur abgelegt, danach studierte er in Tübingen, Berlin und Göttingen Theologie, Astronomie und Kunstgeschichte.
Nach seinem Dienst im Ersten Weltkrieg absolvierte er sein Vikariat in Warsingsfehn. Schon früh entwickelte sich sein Interesse an der Astronomie, 1933 wurde er als einziger Pastor in die „Astronomische Gesellschaft“ aufgenommen. Für die NASA berechnete er vor allem Umlaufbahnen von Kometen – Nach seinem Tod wurde der Planetoid Nr. 1651 mit seinem Namen benannt. Auch in seinem Ruhestand in Esens, wo er noch manche geistlichen Dienste übernahm, führte er seine astronomischen Studien weiter. Er starb 1979 89-jährig in
Warsingsfehn.

Aus dem Anlass des 70. Jahrestages wird dieses Thema auch im Mittelpunkt eines besonderen Gottesdienstes in der St.-Magnus-Kirche stehen – am Buß- und Bettag am 16. November 2005.

Vortrag am 9. November 2005, Magnus-Kirche Esens, Siegfried Rückert

„Ich bedanke mich für die Einladung über das Leben und Wirken von Pastor Johann Gerhard Behrens hier in Esens, seinem Geburtsort referieren zu können. Am  9. November ist seit mehreren Jahren überall in Deutschland üblich, der Verbrechen der Nationalsozialisten gegen die jüdischen Mitbürger – konkret der Schändung und Zerstörung der Synagogen, der jüdischen Gotteshäuser 1938 – zu gedenken. Das haben wir vorhin getan.

Wir wollen nun die Erinnerung fortsetzen an einen aufrechten Mann und wackeren Christenmenschen, der hier – in Esens – vor 116 Jahren das Licht der Welt erblickt hat.

Eine Bronzetafel am Geburtshaus weist seit über zwei Jahrzehnten darauf hin, dass hier „der weltbekannte Astronom und Pastor Johann Gerhard Behrens“ einst das Licht der Welt erblickte.

Johann Gerhard Behrens hat sich bereits nach der so genannten „Machtergreifung“ als Pastor in Stade – 1935, also drei Jahre vor dem Judenpogrom – mutig gegen die nationalsozialistischen Hetze auf die Juden gestellt. Grund genug, den FALL BEHRENS vor dem Vergessen zu bewahren und sich des zu erinnern.
Ich erlaube ich mir, Ihnen in wenigen Sätzen darzulegen, wie ich Pastor Behrens kennen gelernt hatte:

Das war eben hier in Esens. Vor ziemlich genau 40 Jahren kam ich von Hamburg nach Ostfriesland, und zwar nach Emden, wo ich eine Anstellung bei der (heute nicht mehr existierenden) Erdölwerke Frisia AG bekam. Als Christlicher Pfadfinder suchte ich die Emder CP auf und lernte so nicht nur Willi Wykhoff und seine Frau Luise, geborene Behrens kennen, sondern auch meine spätere Frau im Jugendchor, den Luise leitete.

Als Willi Wykhoff wegen einer beruflichen Versetzung das Amt als Führer des Friesengaues der CP niederlegte, wurde ich sein Nachfolger  –  Gauführer – rückblickend eine grässlich-schreckliche Bezeichnung Funktionsträger innerhalb der evangelischen Jugend.

Aufgrund der freundschaftlichen Verbundenheit mit der Familie Wykhoff war es nur selbstverständlich, dass ich – und hier schließe ich meine damalige Freundin und spätere Verlobte ein – also, dass wir Luises Eltern, die zu der Zeit in Esens wohnten, kennen lernten.

In dem von der Straße zurückliegenden Backsteinhaus, gleich rechts am Ortseingang, in dem völlig mit Efeu überwachsenen Gebäude, waren wir gern und oft zu Gast.

Da waren die liebenswerte Pastorenfrau, stets beschäftigt in der Küche oder mit ihrem Hobby, der Porzellanmalerei und der weishaarige Pastor im Ruhestand, der regen Anteil an seiner Umwelt nahm.

In den Sommermonaten 1965 und 1966 hatten wir unser Zelt in Bensersiel aufgebaut und an den meisten Wochenenden fuhr ich regelmäßig von Emden mit meinem Auto dorthin.

In dieser Zeit durfte ich Pastor Behrens gelegentlich sonntags zu verschiedenen Kirchengemeinden chauffieren, wo er Vertretungsgottesdienste hielt. Ich war jedes Mal von seiner schlichten – und doch ungemein überzeugenden Wortverkündigung beeindruckt.

Und so wird es Sie, liebe Zuhörer, nicht verwundern, dass wir Pastor Behrens baten uns zu trauen. Willi Wykhoff war einer der Trauzeugen. Auch verheiratet und später auch mit unseren beiden Kindern haben wir unseren Pastor, danach in Warsingsfehn – und nach dem Tode seiner Frau allein lebend – gerne besucht.

Doch nun zu den Vorkommnissen im „3. Reich“:

Aber zunächst noch ganz kurz wie ich von dem Ereignis am Abend des 16. September 1935 in Stade – oder wie in einschlägiger Literatur zu lesen: vom Fall Behrens – erfahren habe.

Mir war zwar bekannt, dass Pastor Behrens Mitglied der Bekennenden Kirche war und während der NS-Zeit in Stade Ärger mit den damaligen Machthabern hatte und nach Detern versetzt worden war. Aber wie es Johann Behrens` bescheidene Art war, hat er nie von sich aus davon gesprochen oder sich gar seiner standhaften Haltung gerühmt.

Erst nach seinem Tode erfuhr ich von einem Stader Berufsschulkollegen von dem kommunal-politischen Wirbel, den die Benennung des dortigen Gemeindehauses nach einem in der NS-Zeit verfolgten, bekenntnistreuen Pastor ausgelöst hatte. Als der Name Behrens fiel, dämmerte es bei mir, dass es sich nur um unseren Pastor handeln konnte.

Daraufhin hatte ich Luise und Willi Wykhoff eingehend befragt und mir alle verfügbaren Veröffentlichungen zum Fall Behrens beschafft. Da kam auch gelegen, dass ich 1985 im Rahmen einer wissenschaftlichen Ergänzungsprüfung an der Hochschule Hildesheim die Prüfung in Kirchengeschichte über „Die Kirche und der NS-Staat am Beispiel des Falles Behrens“ ablegen konnte.

Im folgenden werde ich versuchen, kurz die Person und den Lebensweg von Johann Gerhard Behrens zu skizzieren und die Ereignisse in Stade im Jahre 1935 im Zusammenhang mit der damalige staats- und parteipolitischen sowie der kirchenpolitischen Situation zu beleuchten.

Johann Gerhard Behrens wurde am 5. September 1889 in Esens als Sohn des Kaufmanns Martin Behrens geboren.

Der junge Johann Gerhard Behrens legte 1909 in Norden seine Abiturprüfung ab und nahm das Studium der Theologie, Astronomie und Kunstgeschichte in Tübingen auf und wechselte später nach Berlin und Göttingen.

Das 1. theologische Examen legte er 1914 in Göttingen ab. Zu dieser Zeit arbeitete er in der Berliner Stadtmission, belegte 1915 einen Pädagogikkurs in Einbeck, war von 1915 bis 1917 Soldat an der Westfront.

Nach Beendigung des Krieges, Behrens war im letzten Kriegsjahr schwer erkrankt, setzte er die theologischen Studien bis 1919 in Göttingen fort, war dann als Vikar in Warsingsfehn tätig, legte 1920 sein 2. theologisches Examen ab und wurde im gleichen Jahr in Hannover ordiniert. Ende 1920 trat Pastor Behrens die dritte Pfarrstelle in Hittfeld an, von wo aus er auch die Gemeinde in Nenndorf betreute.

Im folgenden Jahr heiratete er Johanna Krause, mit der er schon seit einigen Jahren verlobt war.

1924 wurde Johann Gerhard Behrens nach Stade versetzt und dort mit der Wahrnehmung der zweiten Pfarrstelle in der St. Wilhadi-Gemeinde betraut. In Stade versah Behrens nicht nur das Amt in der als recht vornehm geltenden Gemeinde, sein Engagement gehörte auch einen dazugehörigen Außenbezirk, in dem ausnahmslos Arbeiter und Erwerbslose mit ihren Familien lebten, denen es in der damaligen Zeit wirtschaftlich sehr schlecht ging. Um die größte materielle Not zu lindern, organisierte er Lebensmittel- und Kleiderhilfen.

Das für die Kirche zu der Zeit nicht eben übliche Eintreten für die sozial Benachteiligten verschaffte Pastor Behrens die Wertschätzung unter der Arbeiterschaft.

Nachdem die „Deutschen Christen“ mit ihrer Forderung nach einem „artgemäßen Christusglauben“ die Deutsche Reichskirche mit einem Reichsbischof an der Spitze ausgerufen hatten, wurde Pastor Behrens nicht nur früh Mitglied der Bekenntnisgemeinschaft, sondern warb auch aktiv und mit Erfolg dafür.

So konnte es nicht ausbleiben, dass dieser Pastor den Nationalsozialisten und den Deutschen Christen ein Dorn im Auge war.

Doch was waren/sind „Deutsche Christen“?

Die jüngeren Zuhörer werden sicherlich keine Vorstellung von der – wie es richtiger heißen muss – „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ (GDC) haben.

Die GDC entstand vor der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, also jenem historischen Datum, welches die Nationalsozialisten als Machtergreifung feierten.

Schon in der Weimarer Republik gab es Pfarrer und Gemeindemitglieder, die sich für das politische Programm des Nationalsozialismus` eingesetzt haben. 1932 kam es zu einem förmlichen Zusammenschluss, eben der „GDC“. Entscheidend initiiert wurde die Bewegung von Wilhelm Kube, dem Fraktionsvorsitzenden der NSDAP im Preußischen Landtag. Die Partei versuchte innerhalb der Evangelischen Kirche ein aktives Zentrum zu schaffen, von dem aus die Kirche auf Parteilinie gebracht werden sollte. Also auch hier -„Gleichschaltung“.

Organisatorisches Ziel war die Schaffung einer einheitlichen „Evangelischen Reichskirche, die als lebendige Volkskirche“ … „Ausdruck aller Glaubenskräfte unseres Volkes“ sein sollte, wie es in den Richtlinien (RL) hieß. Und ferner hieß es in den RL in Anlehnung an das NSDAP-Parteiprogramm von 1920: „Wir stehen auf dem Boden des positiven Christentums. Wir bekennen uns zu einem artgemäßen Christus-Glauben, wie er deutschem Luther-Geist und heldischer Frömmigkeit entspricht.“

Ein leidender Heiland am Kreuz passte nicht zum germanischen Heldenglauben; Jesus von Nazareth war nun der nordische Christus, von großer athletischer Gestalt, (natürlich) blond, blauäugig, siegesgewiss! „Jesus, der Heiland aus nordischem Blute und Mute“, so der Titel eines Buches von einem Wilhelm Erbt oder ein anderes Buch, verfasst 1920 vom Bremer Hauptpastor Bode „Wodan und Jesus“. Alles Jüdische musste weichen.“