In der Westerstraße besaß der jüdische Kaufmann Simon Weinthal (1873–1938) ab 1919 ein großes Wohn- und Geschäftshaus, dessen südlich angrenzender Durchgang zum Norderwall auf Vorschlag von Hans Folkers (1935–2018), Mitglied des Ökumenischen Arbeitskreises Juden und Christen, im Jahr 1990 den Namen Weinthalslohne erhielt.
Weinthal arbeitete als Viehhändler und galt durch seine besonnene Art als beliebte Persönlichkeit. Der vierfache Vater wurde 1913 Vorstandsmitglied der Esenser Synagogengemeinde und übernahm von 1917 bis 1920 das Amt des Synagogenvorstehers. Neben anderen vertrat er in religiöser Hinsicht die Linie der moderneren Juden. Bei der Gemeindewahl 1924 schaffte Simon Weinthal als Spitzenkandidat einer Gruppe von Bürgern den Sprung in das Esenser Stadtparlament und arbeitete dort bis 1933 als Bürgervorsteher. Als Mitglied der traditionsreichen Schützencompagnie wurde Unteroffizier Weinthal 1902 zum Schützenkönig proklamiert. Auf Drängen der Nationalsozialisten schloss man ihn 1933 jedoch aus dem Verein aus. In seiner Freizeit widmete er sich der Geflügelzucht und wurde in Reihen des Rassegeflügelzuchtvereins von 1885 im Jahr 1922 zum Vorsitzenden gewählt.
Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 wurden die Juden zunehmend aus dem Wirtschaftsleben ausgeschaltet. Als der Antisemitismus und die Angriffe der Nationalsozialisten gegen Bürger jüdischen Glaubens zunahmen, wollte Kaufmann Simon Weinthal nach Palästina emigrieren. Doch kurz vor Abreise erlitt er einen Herzschlag. Das Grundstück mit dem Haus an der Westerstraße wurde 1938 enteignet und dem Deutschen Reich übertragen. 1957 fiel es auf der Basis eines Rückerstattungsbeschlusses der jungen Bundesrepublik an Tochter Else Abrahams zurück, die es an den Altmetallhändler Anton Dirks (1895–1990) verkaufte.